Der Sozialausschuss des Nationalrats hat am Donnerstag, den 9. Oktober 2014, grünes Licht für die neue Arbeitszeitregelung für SpitalsärztInnen gegeben. SPÖ, ÖVP und Team Stronach stimmten im Ausschuss der erst vor kurzem vorgestellten Gesetzesinitiative zu. In einigen Punkten wurden noch Adaptierungen vorgenommen, so wird die Übergangsfrist für die vorgeschriebene Arbeitszeitreduzierung um sechs Monate von Anfang auf Mitte 2021 erstreckt. Damit will man den Spitälern mehr Zeit für die notwendigen Anpassungsmaßnahmen geben. Die Opposition forderte, den Gesetzentwurf vor der Beschlussfassung einer Begutachtung zu unterziehen, ein gemeinsamer Antrag der NEOS, der Grünen und des Team Stronach fand allerdings keine Mehrheit.
Kernpunkt des Gesetzesvorhabens ist eine schrittweise Reduktion der durchschnittlichen Arbeitszeit von SpitalsärztInnen von derzeit bis zu 60 Stunden auf maximal 48 Stunden wöchentlich bis Mitte 2021. Damit setzt Österreich mit deutlicher Verspätung eine EU-Richtlinie um. Die Opposition kritisierte neben dem fehlenden Begutachtungsverfahren zum Teil auch die langen Übergangsfristen, grundsätzlich begrüßten aber auch FPÖ und Grüne die Initiative. Sozialminister Rudolf Hundstorfer versicherte, dass sowohl sämtliche Ärzte- und Personalvertretungen als auch die Länder in die Verhandlungen einbezogen waren. Er rechnet damit, dass vor allem Kärnten, die Steiermark und Salzburg die langen Übergangsfristen brauchen werden.
ÄrztInnen dürfen nicht mehr länger als 25 Stunden Dienst versehen
Basis für den Beschluss im Ausschuss bildete ein Antrag der Koalitionsparteien zur Novellierung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes (608/A) mit Berücksichtigung eines von SPÖ und ÖVP vorgelegten Abänderungsantrags. Demnach dürfen Ärztinnen und Ärzte ab 1. Jänner 2015 nur noch mit ihrer schriftlichen Zustimmung zu Diensten von durchschnittlich mehr als 48 Stunden pro Woche eingeteilt werden (Opt-Out-Regelung). Derzeit ist – inklusive Arbeitsbereitschaft – noch eine wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit von bis zu 60 Stunden möglich. Wer diese Zustimmung nicht erteilt oder sie später widerruft, darf nicht benachteiligt werden.
Liegt eine schriftliche Zustimmung vor, kann die 60-Stunden-Woche noch bis Ende 2017 beibehalten werden, ab 2018 sind durchschnittlich maximal 55 Arbeits- und Bereitschaftsstunden pro Woche erlaubt. Ab Mitte 2021 darf die durchschnittliche Wochenarbeitszeit für ÄrztInnen schließlich 48 Stunden nicht mehr überschreiten. Als Durchrechnungszeitraum gelten grundsätzlich 17 Wochen (4 Monate), unter besonderen Umständen kann dieser Zeitraum mit der Einführung der 48-Stunden-Woche aber auf 1 Jahr (52 Wochen) ausgedehnt werden. Die Bestimmungen über die Aufteilung der Arbeitszeit in Einsatz- und Bereitschaftszeit entfallen. Die maximale Arbeitszeit in einzelnen Wochen bleibt weiter bei 72 Stunden.
Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus eine Reduktion der verlängerten Wochenend- und Feiertagsdienste für Ärzte vor. Anstelle der derzeit erlaubten Wochenenddienste von bis zu 49 Stunden soll es ab 2018 nur mehr 29-Stunden-Dienste und ab 2021 maximal 25-Stunden-Dienste geben. Die Ausgleichsruhezeit muss sofort nach dem Wochenenddienst – und nicht wie bisher innerhalb des viermonatigen Durchrechnungszeitraums – konsumiert werden. Auch die Möglichkeit der finanziellen Abgeltung der Ersatzruhe in Sonderfällen wird abgeschafft, da sie der EU-Arbeitszeit-Richtlinie widerspricht.
Mit dem von SPÖ und ÖVP vorgelegten Abänderungsantrag wurden auch Vorkehrungen für neu eingerichtete Sonderkrankenanstalten und Genesungsheime getroffen: Sie können als Überbrückung bis zur Einrichtung eines Betriebsrats in den ersten drei Monaten mit den MitarbeiterInnen verlängerte Dienste ohne Betriebsvereinbarung regeln.
Österreich steht bei der Umsetzung der EU-Richtlinie unter Zeitdruck – die Kommission hat bereits eine Klage beim Europäischen Gerichtshof angekündigt. Laut Sozialminister Hundstorfer müsste Österreich ab kommenden Jänner pro Monat 5 Mio. € Strafe zahlen, kommt es den Vorgaben nicht nach.
Mit dem Koalitionsantrag mitverhandelt wurden Entschließungsanträge der Grünen und der FPÖ, die unter anderem ebenfalls darauf abzielen, die zulässige Dienstdauer von SpitalsärztInnen auf durchgehend maximal 25 Stunden zu begrenzen (86/A(E), 104/A(E)). Sowohl die Gesundheitssprecherin der Grünen Eva Mückstein als auch FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein verweisen darin auf die enorme Belastung, die überlange Arbeitszeiten hervorrufen. In Studien sei eindeutig nachgewiesen worden, dass ÄrztInnen, die länger als 24 Stunden im Dienst sind, eine verlangsamte Reaktionszeit aufweisen, vergleichbar mit einem Alkoholgehalt im Blut von 0,8 Promille, gibt Mückstein zu bedenken. Der Antrag der Grünen gilt mit der Beschlussfassung des Gesetzentwurfs als miterledigt, der FPÖ-Antrag wurde von SPÖ und ÖVP abgelehnt.
Opposition drängt auf Begutachtungsverfahren
Im Rahmen der Debatte kritisierten die Abgeordneten Eva Mückstein (G), Gerald Loacker (N), Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) und Birgit Schatz (G), dass der Gesetzentwurf als Initiativantrag eingebracht wurde und damit eine Begutachtung entfällt. Das Parlament hätte eine demokratische Verpflichtung, diese nachzuholen, hielt Mückstein fest. Es möge ja sein, dass Sozialminister Hundstorfer alle Betroffenen hinter den Kulissen konsultiert habe, ergänzte Abgeordneter Loacker, das ersetze ein Begutachtungsverfahren mit öffentlich einsehbaren Stellungnahmen aber nicht. Eine Begutachtung ginge sich seiner Meinung nach zeitlich außerdem leicht aus. Abgeordnete Belakowitsch-Jenewein gab zu bedenken, dass nicht alle Länder „im Boot sind“ und es zum Teil massiven Unmut über das Gesetz gebe.
Gemäß dem gemeinsam von NEOS, Grünen und Team Stronach eingebrachten Antrag hätte der Ausschuss unter anderem den Rechnungshof, die Sozialpartner, die Ärztekammer, den Hauptverband der Sozialversicherungsträger, die betroffenen Spitalserhalter sowie das Finanz- und das Gesundheitsministerium zur Abgabe von Stellungnahmen bis zum 20. Oktober einladen sollen.
Grüne und FPÖ: Arbeitszeitverkürzung für Ärzte ist überfällig
Grundsätzlich wurde das Gesetz von Grünen und FPÖ begrüßt. Es sei längst an der Zeit, die Arbeitszeit von Ärzten zu verkürzen und die entsprechende EU-Richtlinie umzusetzen, hoben die Gesundheitssprecherinnen der beiden Fraktionen, Mückstein und Belakowitsch-Jenewein, hervor. Im Gegensatz zu Mückstein sieht Belakowitsch-Jenewein auch in den langen Übergangsfristen sowie in den ausnahmsweise möglichen Arbeitszeitüberschreitungen kein allzu großes Problem, damit trage man dem Krankenhausalltag Rechnung. Sorgen macht sich Belakowitsch-Jenewein allerdings um die Rekrutierung von Ärzten, ihrer Meinung nach steuert Österreich auf einen Ärztemangel zu.
Was die Opt-Out-Regelung betrifft, erwartet Mückstein Druck auf die Ärztinnen und Ärzte von Seiten der Spitalserhalter. Zudem glaubt sie, dass es zu Problemen mit den niedrigen Grundgehältern kommen wird. JungärztInnen stiegen mit einem sehr geringen Lohn in den Beruf ein, hier werde es erhebliche Veränderungen geben müssen, damit die Ärzte nicht ins Ausland abwandern, unterstrich sie. Mücksteins Fraktionskollegin Birgit Schatz wertete es als „Skandal“, dass das Problem der Ärztearbeitszeit 13 Jahre lang nicht angegangen worden sei, und beklagte, dass ÄrztInnen auch in Zukunft über mehrere Wochen hinweg bis zu 72 Stunden arbeiten dürften.
Auch NEOS-Sozialsprecher Loacker wies darauf hin, dass Österreich seit 13 Jahren säumig sei. Nun solle das Gesetz im Eilverfahren beschlossen werden, noch dazu mit langen Übergangsfristen, kritisierte er. Man mute Ärzten Arbeitszeiten zu, die man sonst keinem Arbeitnehmer zumute, dabei arbeite diese Berufsgruppe unmittelbar an Leib und Leben. Loacker glaubt zudem nicht, dass sich etwas am Tagesbetrieb für Spitalsärzte ändern wird, da es zahlreiche Ausnahmebestimmungen und lange Durchrechnungszeiträume gebe.
Seitens der Koalition hielt ÖVP-Abgeordneter August Wöginger dem entgegen, man dürfe nicht vergessen, dass in den Arbeitszeiten der Ärzte auch Bereitschaftszeiten inkludiert seien. Der vorliegende Kompromiss ist ihm zufolge nach langwierigen Verhandlungen erzielt worden, sowohl der ÖGB als auch die Ärztekammer hätten zugestimmt. Seiner Ansicht nach bringt das Gesetz eindeutige Verbesserungen für Ärzte und einen klaren Fahrplan.
Auch Abgeordneter Erwin Spindelberger (S) machte geltend, dass es in den letzten Jahren dutzende Gespräche mit den Betroffenen gegeben habe. Er erwartet sich von der neuen Arbeitszeitregelung auch eine Qualitätsverbesserung.
Sozialminister Rudolf Hundstorfer räumte ein, dass das Problem der Ärztearbeitszeiten jahrelang weggeschoben wurde. Man habe zuletzt aber mit allen Beteiligten intensiv verhandelt, betonte er. Auch der Umstand, dass das Gesetz als Initiativantrag eingebracht wurde, sei abgestimmt gewesen. Der Zeitdruck ist laut Hundstorfer jedenfalls groß, ab Jänner müsste Österreich pro Monat 5 Mio. € Strafe zahlen, kommt es den EU-Vorgaben bis dahin nicht nach.
Die neuen gesetzlichen Bestimmungen sind nach Darstellung von Hundstorfer auch nicht für alle Länder ein Problem. So haben ihm zufolge schon jetzt 90% der niederösterreichischen Ärzte im Durchschnitt eine 48-Stunden Woche, das gleiche gilt etwa für etliche Spitäler in Wien, im Burgenland und in Tirol. Der Minister rechnet, dass vor allem Kärnten, die Steiermark und Salzburg die langen Übergangsfristen brauchen werden.
Der Kritik an den langen Übergangsfristen hielt Hundstorfer entgegen, im Gegenzug habe man die Opt-Out Regelung befristet. Die EU hätte auch ein unbefristetes Opt-Out zugelassen. Dass im Falle von Naturkatastrophen und anderen Notfällen ausnahmsweise auch längere Arbeitszeiten gestattet sind, ist dem Minister zufolge nichts Neues, es komme hier sogar zu einer Verbesserung, da solche verlängerten Dienste nunmehr die ausdrückliche Zustimmung der Ärzte bräuchten. Die mögliche Verlängerung des Durchrechnungszeitraums auf bis zu ein Jahr begründete er damit, dass es einige „Saisonkrankenanstalten“, vor allem in Wintersportorten, gebe, die einen stark von der Jahreszeit abhängigen Arbeitsanfall haben.